Das Interview führte Samira Akrach von Germany Trade & Invest mit Ullrich Umann (GTAI-Korrespondent in Marokko) im November 2025.
Herr Umann, warum ist Tanger so vielversprechend?
Die Stadt verbindet geostrategische Lage mit Infrastrukturaufbau, klaren industriellen Schwerpunkten, aktiver Flächenausweisung und einer Politik, die Industrieansiedlungen, Logistik und Tourismus holistisch fördert. Die Infrastruktur rund um Tanger ist der erste, sichtbare Vorteil. Der Hafen-Komplex Tanger Med stellt dabei das Rückgrat dar: Mit einem Investitionsprogramm von nahezu 700 Millionen Euro für 2026 bis 2028 in Passagier- und Lkw-Terminals, neue Trockendocks und in die Digitalisierung der Abläufe stärkt Tanger Med seine Rolle als regionaler Logistik-Hub.
Welche Strategie verfolgt die marokkanische Regierung in Bezug auf den Hafen Tanger Med?
Die staatliche Hafenentwicklungsbehörde TMSA (Agence Spéciale Tanger Méditerranée) fährt eine klare Dekarbonisierungsstrategie (Onshore Power Supply, Photovoltaik- und Windprojekte, Just-in-Time-Optimierung). Für deutsche Industrieunternehmen, die auf effiziente, grüne Logistikketten und kurze Seeverbindungen nach Europa setzen, ist das ein starkes Argument für eine Präsenz vor Ort.
Parallel dazu entsteht mit Mohammed VI Tanger Tech City, ein groß angelegtes Entwicklungsprojekt, das als intelligente Industrie- und Wohnstadt geplant ist. Interessant für Investoren ist in diesem Zusammenhang, dass Tanger Tech gezielt auf energieintensive, technologiegetriebene Industrien abzielt, darunter die Batterieproduktion, Metallurgie, Elektronik sowie Automobilzulieferer.
Wie sieht es mit der Energieinfrastruktur aus?
Die Ansiedlung energieintensiver Industrien hat den Bedarf an zusätzlicher Kapazität deutlich erhöht. Die Projektgesellschaft für die Tanger Tech City, SATT (Société d’Aménagement Tanger Tech), und der staatliche Energiekonzern ONEE errechneten einen Zusatzbedarf unter anderem für zwei Umspannwerke (400/225/20 kV und 225/35 kV).
Logistiker könnten also auch davon profitieren.
Ja, private Akteure wie Kazyon Maroc haben jüngst eine 14.000 Quadratmeter große Logistikplattform in Tanger eröffnet. Solche Projekte stärken die regionale Distributionsbasis und reduzieren Lieferzeiten für Konsumgüter – ein Plus für deutsche Handelsunternehmen, die Nordafrika als Absatz- oder Produktionsstandort nutzen wollen.
Wie entwickelt sich der Tourismussektor?
Internationale Hotelketten setzen auf Tanger als Destination. Das Hilton Tangier Al Houara Resort & Spa erweitert sein Freizeitangebot (Patinoire, Padel, Golf) und positioniert sich als LifestyleAnker für die Region; parallel hat der saudische Investor Naif AlRajhi ein Memorandum für die «Cité de la Méditerranée» unterzeichnet (Investitionsvolumen ca. 25 Millionen Euro), ein hochwertiges Tourismus- und Freizeitprojekt, das die Aufwertung der Küstenzone vorantreibt. Solche Projekte erhöhen die Lebensqualität, erleichtern die Rekrutierung internationaler Fachkräfte und schaffen Nachfrage nach BusinessServices.