Ausblick der Bauwirtschaft in Marokko
- Die Baukonjunktur erholt sich durch öffentliche Investitionen.
- Ausbau von Schiene, Flug- sowie Hochseehäfen und der Trinkwasserinfrastruktur sind Wachstumstreiber.
- Fußball-WM 2030 ruft neue Projekte auf den Plan.
Anmerkung: Einschätzung des Autors für die kommenden zwölf Monate auf Grundlage von prognostiziertem Umsatz- und Produktionswachstum, Investitionen, Beschäftigungsstand, Auftragseingängen, Konjunkturindizes etc.; Einschätzungen sind subjektiv und ohne Gewähr; Stand: April 2024
Hochbau: Marktlage und Marktentwicklung
Fachleute erwarten 2024 im Hochbau einen positiven Konjunkturverlauf. Sie sprechen sogar von einer Trendwende, nachdem die Vorjahre ein eher enttäuschendes Ergebnis zeigten.
Wachstumsimpulse ergeben sich 2024 unter anderem aus dem öffentlich finanzierten, aber auch privaten Wohnungsbau, aus der Errichtung von Gesundheits- und Bildungseinrichtungen, aus einer Vielzahl von Ausbau- und Modernisierungsvorhaben im Groß- und Einzelhandel sowie aus Vorhaben im Tourismus, Hotel- und Gaststättengewerbe.
Hochbau erholt sich 2024
Hinzu kommen umfangreiche Hochbauarbeiten im Bereich der Verkehrsinfrastruktur, darunter die hauptstädtischen Bahnhöfe Hay Riad und Rabat Ville sowie die Flughäfen in Marrakesch, Rabat und Casablanca. Auch die Wiederaufbauarbeiten in den vom Erdbeben des Jahres 2023 betroffenen Regionen im Großraum Marrakesch und im Atlasgebirge leisten einen positiven Wachstumsbeitrag. Darauf wies der Präsident der marokkanischen Zentralbank, Abdellatif Jouahri, auf dem Jahreskongress von IWF und Weltbank vom Oktober 2023 in Marrakesch hin.
Wachstumseffekte erzeugt die Vorbereitung des Africa Cup of Nations (CAN) 2025 und der Fußball-WM 2030, zu deren Austragungsländern Marokko gehört. Für Trainingszentren, Mannschaftscamps, Fußballstadien, aber auch für spezielle Gesundheitszentren und Sporthotels haben die Planungsarbeiten begonnen. Entsprechende Bauausschreibungen und neue Projektstarts werden 2024 erwartet.
Der Hochbau profitiert zusätzlich von den umfangreichen privaten und öffentlichen Investitionen in Industrieobjekte sowie in Erzeugeranlagen für erneuerbare Energien und zur Elektrolyse grünen Wasserstoffs.
Finanzierungskosten sinken
Doch haben es Investoren und Generalauftragnehmer auch mit Unwägbarkeiten zu tun. Auf die Auftragslage, aber auch auf die Anzahl der vorzeitig abgebrochenen Hochbauvorhaben und Firmenkonkurse wirken sich die Finanzierungskosten aus. Besonders kritisch stellte sich die Lage in den Vorjahren dar, als die Zentralbank die Leitzinsen zur Inflationsbekämpfung mehrfach anheben musste.
Zwar war der Bestand an Wohnungsbau- und Hypothekenkrediten im Jahr 2023 nach Angaben der Zentralbank auf 26 Milliarden Euro (ein Plus von nominal 7,3 Prozent auf Vorjahresbasis) angewachsen. Doch stiegen die Kosten zum Landerwerb, zur Baudurchführung und zur Beschaffung von Baustoffen und -material in einem noch höheren Tempo. Zusätzlich übertrugen die Banken die von der Zentralbank durchgeführten Leitzinsanhebungen überproportional auf die Zinsausstattung ihrer Bau- und Hypothekenkredite. Auf diese Weise wollten sie ihr erhöhtes Ausfallrisiko kompensieren, ein Teufelskreis.
Für 2024 gehen nach den Bauexperten nun auch die Finanzexperten von einer Trendwende aus, zumal der Inflationsdruck nachlässt. Den ersten Prognosen nach soll die Jahresinflation 2024 auf 2,4 Prozent abflachen, nach 6,1 Prozent im Vorjahr. Der Vergleichswert vom März 2024 lag bei 5,8 Prozent.
Der Staat wird laut Haushaltsplanung 2024 die Rekordsumme von knapp 6 Milliarden Euro in Vorhaben des Hoch- und Tiefbaus investieren. Dies bedeutet eine Steigerung um 56 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auslöser sind die Vorbereitung des Africa Cup of Nations (CAN), Ausbauarbeiten zur Wasserversorgung der Bevölkerung, Industrie und Landwirtschaft sowie der Ausbau der Hochseehäfen und des Straßennetzes.
Einen positiven Wachstumseffekt entfalten gleichfalls die ausländischen Direktinvestitionen in die Bau- und Immobilienwirtschaft. Als wichtigste Herkunftsländer haben sich traditionell Frankreich, Spanien und die Niederlande positioniert. Hauptsächliche Zielobjekte sind Wohnungen und Wohngebäude, Hotels, Bürohäuser, Einkaufszentren und aktuell wieder Industrie- und Energieanlagen.
Fachkräftemangel und Wasserknappheit
Schwierigkeiten verzeichnen Baufirmen bei der Rekrutierung von Facharbeitern, was die Projektdurchführung mancherorts ausbremsen kann. Insbesondere bei technisch anspruchsvollen Bauvorhaben macht sich dieser Sachverhalt negativ bemerkbar. Hinzu kommt die seit fünf Jahren anhaltende Dürreperiode. Eine möglichst umweltschonende Wasseranbindung der Bauobjekte sowie Aspekte des Grundwasser- und Gewässerschutzes werden zwingend in den Planungs- und Genehmigungsverfahren abgehandelt. Teilweise verzögert und verhindert die Wasserknappheit den ersten Spatenstich. Spezifische Hochbauvorhaben, darunter zur Errichtung von Anlagen der Meerwasserentsalzung, von Werken zur Abwasserklärung und Frischwasseraufbereitung, erhalten wiederum eine besondere Förderung.
Hochbau: Marktchancen für deutsche Produkte und Dienstleistungen
Das Engagement deutscher Firmen in Marokkos Hochbau ist überschaubar. Doch besteht ein Bedarf an hoch spezialisierten Lösungen, über die gerade die deutsche Bauwirtschaft verfügt.
Deutsche Bauunternehmen, die vor Jahren an Großprojekten in Marokko beteiligt waren, haben sich weitgehend zurückgezogen. Dies lag weniger an der Baukonjunktur vor Ort als vielmehr am Strukturwandel der deutschen Bauwirtschaft. Als der Wandel einsetzte, ging es für die deutsche Bauwirtschaft um Kostenreduzierung, Rückbesinnung auf den deutschen Kernmarkt und Konsequenzen aus der Übernahme deutscher Bauunternehmen durch ausländische Wettbewerber.
In Marokko geblieben sind nur wenige, dafür aber hoch spezialisierte Familienunternehmen, etwa die Peri Group. Dabei handelt es sich um einen Spezialisten für Schalungs- und Gerüsttechnik. In Marokko gefragt waren Peri-Lösungen unter anderem bei der Fertigstellung des Campus der Polytechnischen Universität Mohammed VI (UM6P).
Die Hochbausparte dominieren marokkanische sowie französische, spanische, saudi-arabische und ägyptische Baukonzerne. Unter den Firmen mit Auslandskapital befinden sich Bouygues Construction, Vinci Construction, Eiffage Construction, ACS Group, FCC Construcción, Sacyr, Acciona, die Saudi Binladin Group sowie CCC Group.
Deutsche Baubranche mit Geschäftschancen
Möglichkeiten für den Markteinstieg deutscher Bau-, Architektur- und Ingenieurfirmen sind trotz der ausländischen Dominanz erkennbar. Das Logo "Made in Germany" und die deutsche Ingenieurskunst genießen allgemein einen guten Ruf. Außerdem käme deutschen Firmen bei ihrem Markteintritt zugute, dass sich Marokko um die Diversifizierung der Geschäftsbeziehungen bemüht. Die deutsche Wirtschaft ist allein schon aus diesem Grund ein gern gesehener Partner, was unter anderem daran sichtbar wird, wie zuvorkommend Delegationen aus Deutschland in Marokko empfangen werden.
Interessierte Branchenfirmen sollten in einem ersten Schritt die Deutsche Industrie- und Handelskammer (AHK) in Casablanca kontaktieren. Die Kammer bietet ein breites Spektrum an Dienstleistungen für den Markteinstieg an. An die Erstberatung und Bedarfsermittlung kann sich eine gezielte Geschäftspartner- und Personalsuche anschließen, auf Wunsch auch die Erstellung von individuellen Marktstudien. Auch Kontakte zu den 27 Architektur-, Ingenieur- und Baufirmen unter den mehr als 800 Kammermitgliedern können relativ einfach hergestellt werden.
Der marokkanische Baumarkt sollte ohnehin gemeinsam mit einem lokalen Partner beziehungsweise mit lokalem Personal erschlossen werden. Gerade in der Startphase ist der Aufbau eines Netzwerkes anzuraten, was mit örtlichen Partnern schneller geht. Lokale Partner können zudem bei der Einarbeitung in die marokkanischen Normen und Standards, Ausschreibungs- und Bauvorschriften sowie in die arbeits- und steuerrechtlichen Vorgaben helfen.
Know-how beim Thema Energieeffizienz gesucht
Von wachsender Bedeutung sind die Themen Energieeffizienz und Nachhaltigkeit auf dem Bau, für die Deutschland viel anzubieten hat. Das wissen Unternehmen in Marokko. Dass Know-how zu Energieeinsparungen, Wärmedämmung, zum Bau von Aktiv- und Passivhäusern aktuell wichtige, von der Politik vorgegebene Trendvorgaben sind, beweist die bis 2030 ausgelegte Stratégie Nationale de l´Efficacité Energétique. Dafür bereitet die Marokkanische Agentur für Energieeffizienz (Agence Marocaine pour l’Efficacité Energétique/AMEE) 2024 die Einführung zweier Energiestandards im Rahmen der Wärmedämmungsvorschriften im marokkanischen Baukodex (Réglementation thermique de construction au Maroc/RTCM) vor. Damit sollen Gebäude nach neuen nationalen Standards energietechnisch zertifiziert und mit Labels versehen werden. AMEE ist in puncto internationaler Zusammenarbeit offen: Mit der französischen Schwesterorganisation Institut Francais pour la Transition Energétique et Ecologique wurde im März 2024 eine Kooperation vereinbart.
Ansatzpunkte für deutsche Firmen existieren ebenfalls bei der Planung und beim Bau von Gesundheitseinrichtungen, darunter Privatkliniken, aber auch Gebäude der öffentlichen Gesundheitsfürsorge.
Sportstättenbau als besondere Chance für deutsche Firmen
Nicht zuletzt sind auch die deutschen Planungs- und Bauerfahrungen im Bereich Sportstättenbau gefragt. Dazu hatten die Austragung der Fußball-WM 2006 in Deutschland sowie die Beteiligung der deutschen Wirtschaft an der bautechnischen Vorbereitung der nachfolgenden Weltmeisterschaften beigetragen.
Aktuell starten in Marokko die Planungen für die Fußball-WM 2030. Neben Sportstätten sollen Übernachtungs- und Cateringeinrichtungen an den Standorten Rabat, Casablanca, Fes, Tanger, Marrakesch und Agadir entstehen. Die Wettbewerber für die deutsche Bauwirtschaft kommen in diesem Bereich vor allem aus Spanien, ein Land, das neben Portugal die WM 2030 gemeinsam mit Marokko austragen wird. Ein auf das Thema spezialisierter Ansprechpartner für deutsche Firmen, die sich an entsprechenden Vorhaben beteiligen möchten, ist unter anderem auch die Marokkanische Agentur zur Investitions- und Exportförderung, AMDIE.
Hochbau: Projekte
Nachholbedarf existiert im Bausektor bei fast allen Projektarten. Ob Wohnungs- oder Gewerbebau, der Markt expandiert allein schon aufgrund der schnell wachsenden Bevölkerung.
Der Wohnungsbau hat 2023 an Fahrt aufgenommen, zeigen Zahlen des Ministeriums für nationale Raumplanung, Städtebau, Wohnungsbau und Stadtpolitik. Demnach wurden 2023 insgesamt 180.000 Wohnungen fertiggestellt sowie der Bau von 200.000 Wohnungen fortgeführt. Etwa 80 Prozent davon sind auf öffentliche Projekte zurückzuführen.
In den Ballungsgebieten bleibt der Bedarf an neuem und vor allem bezahlbarem Wohnraum auf Jahre hinaus ungedeckt. Neben der Binnenmigration aus den strukturarmen ländlichen in urbane Regionen führen auch das hohe Bevölkerungswachstum sowie die Immigration aus afrikanischen und arabischen Ländern zu einem steigenden Wohnraumbedarf. Die Volkszählung (Recencement Général de la Population et de l´Habitat/RGPH) lässt sogar die Schlussfolgerung zu, dass die Urbanisierungsquote von aktuell 66 auf 74 Prozent im Jahr 2050 ansteigen dürfte. Die Bevölkerung wächst laut UN im genannten Zeitraum von derzeit 37 Millionen auf 45 Millionen.
Private Wohnraumprojekte zielen auf Bevölkerungsschichten mit mittleren und gehobenen Einkommen ab. Als Leuchtturmprojekt dafür steht die nördlich von Casablanca entstehende Zenata Eco-cité auf einem Areal von 1.830 Hektar. In ihr sollen einmal 300.000 Menschen leben. Den Plan für das Großprojekt hat das Projektbüro Anteverti aus Barcelona im Auftrag des Projektträgers Societé d'Aménagement de Zenata entworfen. Gebaut werden neben Wohnungen ein Gesundheitszentrum, ein Universitätscampus und ein Einkaufszentrum.
Industriegebäudebau legt zu
Im Rahmen ihrer Stratégie Commerce will das Ministerium für Industrie, Handel, Investitionen und digitale Wirtschaft die Entwicklung des Einzelhandels vorantreiben. Entsprechende Projekte – oft als Kombination aus Wohnungs- und Gewerbebau – sind in Planung. Als Vorbilder gelten die Komplexe Casablanca Marina, Marrakesch Golf City oder das Arribat Center in Rabat.
Industriegebäude entstehen in den Freihandelszonen in den Großräumen Tanger im Norden, Casablanca in der Landesmitte und Agadir im Süden. Impulse gehen insbesondere von ausländischen Investitionen, Erweiterungsvorhaben niedergelassener Firmen sowie vom Ausbau der erneuerbaren Energiegewinnung durch private und öffentliche Geber aus. Die wohl größte Aktivität im Industrieanlagenbau ist auf einem 2.200 Hektar umfassenden Areal in der Nähe von Tanger zu beobachten: Hunderte von chinesischen Unternehmen sollen sich hier einmal niederlassen, was Investitionen aus China von bis zu 1 Milliarde US-Dollar (US$) erwarten lässt. Eine entsprechende Vereinbarung wurde zwischen der China Communications Construction Company (CCCC), der China Road and Bridge Corporation (CRBC), der Tanger Med Special Agency und der Bank of Africa (BMCE) unterzeichnet.
Größere öffentliche Krankenhausprojekte und kleinere private Klinikvorhaben sind gleichfalls in der Entstehungsphase. Der öffentliche Gesundheitsplan Santé 2025 sieht dafür Ausgaben von 1,3 Milliarden Euro vor. Für den Sportstättenbau in Vorbereitung des Africa Cup 2025 und der Fußball-WM 2030 stellt die Nationale Agentur für öffentliche Einrichtungen 2,2 Milliarden Euro zur Verfügung. Mit diesen Mitteln wird der Bau des Stadions Casablanca im Wert von 500 Millionen Euro vorangetrieben, ebenfalls der Ausbau des Sportkomplexes Prinz Moulay Abdellah nebst Umfeld, des Stadions Al Barid sowie der Bau eines neuen Hauptsitzes für den Königlich-Marokkanischen Leichtathletikverband, den Königlich-Marokkanischen Karateverband sowie verwandte Disziplinen (400 Millionen Euro). Hinzu kommt die Modernisierung des Stadions Tanger, des Sportkomplexes Fes, des Stadions Marrakesch, des Sportkomplexes Mohammed V in Casablanca und des Stadions Agadir (zusammen 200 Millionen Euro).
Energieeffizienz wird für die Projektplanung wichtig
Die Themen Energieeffizienz und Umweltschutz üben einen zunehmenden Einfluss auf die Projektplanungen im Bausektor aus. Dabei geht es unter anderem um die Verwendung von Dämm- und Isoliermaterial, die Kühlung und Beheizung von Gebäuden und die Montage solarthermischer Anlagen. Auch Themen wie Aktiv- und Passivhäuser rücken in den Fokus der Projektentwickler. Die für 2024 erwartete Verabschiedung nagelneuer Normen und Standards für energieeffizientes Bauen sollen vorerst aber nur für Neuvorhaben gelten, bevor in den Folgejahren ein Auditsystem für Bestandsbauten nachgereicht wird.
Tiefbau: Marktlage - und entwicklung
Marokkos Verkehrsinfrastruktur kann sich international sehen lassen. Als Antwort auf sinkende Niederschlagsmengen wird jetzt bei der Wasserinfrastruktur zugelegt.
Die Bauindustrie, deren Anteil am marokkanischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei 6 Prozent liegt, erhielt in den letzten Jahren einen Großteil ihrer Aufträge über Infrastrukturvorhaben. Dies dürfte auch in Zukunft der Fall sein. So kündigte Nizar Baraka, Minister für Infrastruktur und Wasser, Ende Februar 2024 an, dass "im Jahr 2024 die Investitionen allein seines Ressorts im Vergleich zum Vorjahr um 56 Prozent von 3,7 Milliarden auf 5,8 Milliarden Euro steigen". Er begründete seinen Optimismus damit, dass "die Bauwirtschaft einen bemerkenswerten Aufschwung erlebt, begleitet von einem wachsenden öffentlichen Mitteleinsatz".
Infrastruktur erhält mehr Gewicht
Für die steigenden Investitionen zählte der Minister drei Hauptgründe auf. Als ersten nannte er den mit Abstand populärsten Nationalsport, nämlich Fußball, konkret die Austragung des Africa Cup 2025 und der WM 2030, die in Marokko stattfinden werden. Für beide Großveranstaltungen wird die Infrastruktur modernisiert.
Der zweite Grund basiert auf dem Investitionsabkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten. Demnach werden die Emirate von 2024 bis 2029 im marokkanischen Bausektor eigene Projekte anschieben oder sich finanziell an marokkanischen Vorhaben beteiligen.
Der dritte Grund ist das Wiederaufbauprogramm für die vom Erdbeben 2023 betroffenen Gebiete in El Haouz. In diesem Rahmen fließen in den kommenden viereinhalb Jahren 11 Milliarden Euro an in- und ausländischen Finanzmitteln.
Unterschiedliche Träger je Projektart
Für die mehrheitlich öffentlich finanzierten Tiefbauprojekte sind verschiedene zentrale und kommunale Behörden verantwortlich. Sie setzen 2024 zusammen 6,44 Milliarden Euro um, wobei sich der Schwerpunkt bei den öffentlichen Ausgaben auf den Ausbau der Wasserinfrastruktur verlagert hat.
Für Wasserprojekte wurden 3,2 Milliarden Euro in die Behördenhaushalte eingestellt. Die Generaldirektion für Wasserwirtschaft sowie die Agenturen der Wassereinzugsgebiete werden davon mit 0,9 Milliarden Euro den größten Teil ausgeben. Viel Geld fließt zum Beispiel in den Bau von sogenannten Wasserautobahnen, mit denen stehende Gewässer untereinander verbunden werden sowie in den Staudammbau.
Für die Erweiterung des Straßen- und Autobahnnetzes plant der Staat 2024 Investitionen und Zuschüsse in Höhe von 6,5 Milliarden Euro ein. Es folgt der Hafenausbau mit 2,3 Milliarden Euro. Des Weiteren sind laut Haushaltsplanungen 2024 Investitionen in die Energiewirtschaft von 1,8 Milliarden Euro sowie in die Telekommunikation von 1,4 Milliarden Euro vorgesehen.
KfW an Finanzierung beteiligt
Ausländische Geberinstitutionen, darunter die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), beteiligen sich fallweise an der Finanzierung von Infrastrukturprojekten, unter anderem im öffentlichen Nahverkehr und in der Wasserwirtschaft. Zuletzt haben die marokkanische Regierung und die KfW im Dezember 2023 Kreditverträge im Gesamtwert von 250 Millionen Euro und Fördervereinbarungen über 7 Millionen Euro unterzeichnet.
Mit den Krediten werden unter anderem der Unterstützungsfonds für die Reform des städtischen und zwischenstädtischen Straßenverkehrs um 5 Millionen Euro aufgestockt. Ein weiterer KfW-Kredit über 30 Millionen Euro wird für das Projekt "Verbesserung der Effizienz des Wasserverbrauchs in der Bewässerungslandwirtschaft (Sidi Mohamed Cherif-Becken)" genutzt.
Tiefbau: Marktchancen für deutsche Unternehmen
Chancen deutscher Unternehmen konzentrieren sich in erster Linie auf den Zulieferbereich.
Im Tiefbau bieten sich grundsätzlich vielfältige Beteiligungsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen. Bei der Auftragsvergabe für Großprojekte dürften jedoch Unternehmen, die bereits im Markt etabliert sind, die besten Chancen haben. Unternehmen aus Spanien und Frankreich haben sich hierfür einen Vorsprung erarbeitet. So können sie auf zahlreiche Referenzen verweisen und verfügen über langjährige Erfahrungen. Mit anderen Worten, es hat sich für sie ausgezahlt, als ausländische Firma vor Ort einen langen Atem bewiesen zu haben.
Im Zulieferbereich könnten kurzfristig mehr Geschäftschancen für deutsche Anbieter entstehen - vor allem in Bereichen, in denen Deutschland einen Erfahrungsvorsprung aufweist, etwa bei "Green Tech". Aber auch hier ist eine intensive Marktbearbeitung essenziell. Dazu wäre unter anderem wichtig, vor Ort auf ein vertrautes Partnerunternehmen zurückgreifen zu können, darunter Beratungsfirmen und spezialisierte Anwaltskanzleien.
Geberfinanzierte Tiefbauprojekte als Einstiegschance für Neueinsteiger
Sektoren wie erneuerbare Energien oder die Wasserwirtschaft sind oft im Portfolio bi- oder multilateraler Entwicklungsbanken zu finden, darunter der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sowie ihrer Tochterbank für die Privatwirtschaft, die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG). Wann immer externe Geberinstitutionen in die Projektfinanzierung eingebunden sind, können deutsche Unternehmen auf ein höheres Maß an Transparenz und Planbarkeit der Projektabläufe setzen - für den Markteinstieg kann das ein nützliches Sprungbrett sein.
Tiefbau: Projekte
Der Tiefbau bleibt wegen seiner Projektzahl und der Finanzierungsumfänge das Kerngeschäft der Baubranche.
Die Regierung hält an ihrem Plan fest, bis 2035 Autobahnen und Schnellstraßen mit einer Gesamtlänge von 5.500 Kilometern zu bauen. Die Gesamtkosten werden auf 9,5 Milliarden Euro geschätzt. Hinzu kommt der Bau von Landstraßen für rund 3 Milliarden Euro. Der Wert der Instandsetzungsarbeiten in dem bereits bestehenden Straßennetz über 7.000 Kilometer wird mit weiteren 12,4 Milliarden Euro beziffert, die bis 2035 aufgebracht werden müssen.
Hafeninfrastruktur bleibt langfristiges Betätigungsfeld
Der Hafen Nador West Med an der Mittelmeerküste ist zwar weitgehend fertiggestellt. Doch bleiben noch Detailarbeiten aus. Errichtet wurde ein 4,5 Kilometer langer Hauptdeich, ein 1,2 Kilometer langer sekundärer Schutzraum und ein sich über 1,5 Kilometer erstreckender Anlegekai mit einem Tiefgang von 18 Metern. Diese Merkmale machen ihn zu einem der modernsten und am besten ausgestatteten Hafenterminals in der Region. Große Containerschiffe können hier ab 2025 anlegen.
Derzeit sucht die Regierung nach einem geeigneten Hafenbetreiber. Die Wahl wird laut Pressemeldungen entweder auf die Cosco Shipping Corporation Limited oder auf Maersk fallen. Vom Ausgang dieser Wahl hängt ab, welche Entwicklungsstrategie gefahren und welche endgültigen Ausbauarbeiten durchgeführt werden. Im Fall von Cosco würde den stark gestiegenen Handels- und Investitionsvolumina zwischen Marokko und China Rechnung getragen. Nador West Med wäre damit mehr als nur ein "normales" Infrastrukturprojekt, es wäre von strategischer Bedeutung für das weitere Vorgehen der chinesischen Wirtschaft in der gesamten Mittelmeerregion.
Zu den endgültigen Ausbauarbeiten gehört unter anderem der Stromanschluss, wozu eine Netzverbindung mit einer Kapazität von 225 Kilovolt in der Planung ist. Der Stromkonzern ONEE fertigt aktuell ein Gutachten zu den diesbezüglichen Umweltauswirkungen an. An einer Ausschreibung für den Netzausbau haben sich die libanesische BUTEC und die marokkanische SERF beteiligt, doch steht die Zuschlagserteilung noch aus.
Ebenfalls gehört ein Anschluss an das Straßennetz zu den weiteren Ausbauarbeiten. Die Afrikanische Entwicklungsbank AfDB sowie der Africa Growing Together Fund AGTF reichten im Dezember 2023 für den Bau einer Autobahnanbindung über 104 Kilometer auf der Strecke Nador-Guercif einen Kredit von 246 Millionen Euro ein.
Als Standort für einen weiteren Hafenbau ist das südliche Agadir an der Atlantikküste in der planerischen Vorbereitung. Dort ist ein entsprechendes Projekt notwendig, um den Transportbedarf der schnell wachsenden Industrie im Gebiet Souss Massa abdecken zu können.
Arbeiten am Eisenbahnnetz setzen sich fort
Regierung und Staatsbahn Office National des Chemins de Fer (ONCF) vergrößern gegenwärtig das Marktvolumen für den Schienenausbau: So schreibt ONCF den Bau zweier Hochgeschwindigkeitsstrecken aus. Dabei handelt es sich zum einen um die Strecke Kenitra - Marrakesch im Bauwert von 3,8 Milliarden Euro und zum anderen um die Verbindung von Casablanca nach Agadir im Wert von 4,5 Milliarden Euro.
Im November 2023 hatte ONCF die Beschaffung von 168 Zügen, davon 18 für hohe Geschwindigkeiten, im Gesamtwert von 1,45 Milliarden Euro ausgeschrieben. Die Auslieferung der Züge soll zwischen 2027 und 2030 erfolgen. ONCF fordert, dass sich die Hersteller zur Lokalisierung der Endmontage und Wartung verpflichten. Dadurch soll die marokkanische Bahnindustrie gestärkt und Exportpotenziale ausgebaut werden. Ausfuhrchancen sieht die marokkanische Regierung vor allem in Richtung Afrika.
Wasser bleibt im Fokus
Der chronische Wassermangel ist in Marokko ein existenzielles Problem. Für Entlastung soll der Bau von Anlagen zur Meerwasserentsalzung, zur Abwasseraufbereitung sowie von "Wasserautobahnen" sorgen. Die Verantwortlichen auf allen Verwaltungsebenen stützen sich neben Haushaltsmitteln auch auf Finanzhilfen bi- und multilateraler Geberinstitutionen.
Die Privatwirtschaft investiert unabhängig von den staatlich finanzierten Projekten in die Meerwasserentsalzung sowie in die Frischwasser- und Abwasseraufbereitung: Zum einen, um über genügend Prozesswasser zu verfügen, zum anderen, um die gesetzlichen Auflagen zur Industriewasserklärung zu erfüllen. Ein aktuelles Beispiel stellt der Phosphatkonzern OCP dar, der in die gesamte Wertschöpfungskette zur Erzeugung grünen Ammoniaks 13 Milliarden US-Dollar (US$) investiert, beginnend mit der Meerwasserentsalzung über die Erzeugung von Ökostrom, die Elektrolyse bis hin zur Umwandlung des grünen Wasserstoffs in Ammoniak.
Wettbewerbssituation und Geschäftspraxis
Konzerne dominieren die Baubranche vom Umsatz her. Jedoch befinden sich kleine und mittlere Firmen in der zahlenmäßigen Mehrheit, nicht wenige von ihnen sind informeller Natur.
Die Bauwirtschaft stellt einen wichtigen Stabilitätsanker und Wachstumsfaktor dar. Sie trägt zu 6 Prozent zur Bildung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bei, wie die Statistikbehörde Haut Commissariat au Plan (HCP) mitteilte. Die Anzahl der Bauarbeiter und Bauingenieure erreicht fast 1,4 Millionen, womit fast jeder zehnte Erwachsene im arbeitsfähigen Alter in diesem Industriezweig beschäftigt ist. Allerdings sind die Beschäftigungsverhältnisse vor allem in den kleinen und mittleren Bauunternehmen teilweise informell oder sogar prekär. Letzteres gilt insbesondere für den Einfamilienhausbau. Auf vielen privaten Baustellen tragen die Arbeiter nicht die vorgeschriebene Schutzkleidung und Helme.
Renommierte und organisierte Baufirmen, die nach Arbeitskräften mit einem nachgewiesenen Facharbeiter- oder Meisterabschluss suchen, haben es dagegen schwer und müssen bei den Gehältern entsprechend nachlegen. Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, herrscht auf vielen Baustellen bei Neueinstellungen das Prinzip "learning by doing" vor. Neben dem Fachkräftemangel haben es Branchenfirmen fallweise auch mit Projekt- und Zahlungsverzögerungen zu tun, trotz der relativ hohen Zahl von Projekten und jährlichen Baustarts.
Ein sogar volkswirtschaftliches Problemfeld stellt die hohe Zahl an Baufirmen und Produzenten aus der Baustoffindustrie dar, die sich in der steuerlichen Grauzone oder sogar komplett im informellen Sektor bewegen. Der Unternehmerverband Conféderation Générale des Entreprises de Maroc (CGEM) sieht den umsatzmäßigen Anteil der Schattenwirtschaft im Baugewerbe bei 30 Prozent. Der Verband der Immobilienentwickler Fédération Nationale des Promoteurs Immobiliers (FNPI) quantifizierte die Grauzone mit 10.000 Firmen und den informellen Sektor mit 40.000. Dem organisierten und strukturierten Baugewerbe ordnet der Verband 2.000 Unternehmen zu, wobei hier alle großen und umsatzstarken Firmen zu finden sind.
Öffentliche Aufträge befeuern Branchenwachstum
Der Staat beziehungsweise Staatsunternehmen spielen als Auftraggeber und Bauträger eine außerordentlich wichtige Rolle. Das Staatsunternehmen Al Omrane dominiert zum Beispiel den öffentlichen Wohnungsbau, darunter den Bau von Sozialwohnungen. Für die Baudurchführung nimmt Al Omrane meist lokale Bauunternehmen unter Vertrag. Inzwischen werden auch staatliche Industrieunternehmen, darunter der finanzkräftige Phosphatkonzern OCP, im Bausektor als Auftraggeber sehr aktiv. OCP erweitert etwa seine Kapazitäten zur Erzeugung grüner Energien, investiert aber auch stark in die Meerwasserentsalzung, sowohl für den Eigenbedarf als auch für die Wasserversorgung der Bevölkerung in den umliegenden Regionen.
Eine aktive Rolle als Auftraggeber spielen zudem öffentliche Stiftungen, darunter die Mohammed VI-Stiftung für Bildung und Forschung. Sie finanzierte den Bau und die Einrichtung einer der besten Bildungseinrichtungen des Landes, der Universität Mohammed VI Polytechnique (UM6P). Ebenfalls tritt die Stiftung aktiv bei der Beseitigung der Erdbebenschäden in Al Haouz auf. Behörden, staatliche Betriebe und andere öffentliche und halböffentliche Auftraggeber wählen für die Projektausführung unter anderem auch ausländische Baufirmen aus. Neben Prestige spielt dabei die notwendige Qualität der Bauausführung eine entscheidende Rolle.
Zu den wichtigen privaten Projektentwicklern zählt Addoha, die unter anderem auch im Wohnungsbau tätig ist. Zu nennen wären darüber hinaus die Bgroup. Dieses Unternehmen beschäftigt sich vor allem mit dem Wohnungsbau im oberen Segment und dem Bau touristischer Einrichtungen. Als weitere Entwicklungsgesellschaften sind Dyar al Mansour, Saham Immobilier, Yamed Group, TGCC und Yasmine Immobilier zu nennen.
Akquise ist die schwierigste Projektphase
Baufirmen sollten die Auftragsakquise akribisch vorbereiten. Ohne Lobbyarbeit und detaillierte Kenntnisse der Verfahrensabläufe bleiben die Gewinnaussichten bei Ausschreibungen gering. Werden Beteiligungen an öffentlichen Projekten angestrebt, etwa zum Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, sind auch hierfür erfahrene Partner vor Ort fast unabdingbar. Doch verlagern sich die Bauaktivitäten allmählich in Richtung Industriebau und Privatwirtschaft.
Oft unterschätzen ausländische Bieter die starke Kostenorientierung im Bausektor sowie die an den jeweiligen Bauherren gebundene Beschaffungspolitik. Knappe Haushalte auf allen Verwaltungsebenen und eine schwerfällige Administration nehmen zusätzlich einiges an Dynamik aus den Projektabläufen.
Teilweise sind es aber auch die auf den ersten Blick weniger sichtbaren Dinge, die im Baugeschäft eine immens wichtige Rolle spielen. Dazu gehören sprachliche und kulturelle Besonderheiten, die trotz der generellen Europaorientierung Marokkos nach wie vor bestehen. Da das Geschäftsleben hierarchisch aufgebaut ist, spielt die punktgenaue Adressierung von Angeboten sowie die Lobbyarbeit eine wichtige Rolle, wozu der Aufbau persönlicher Beziehungen zu den Entscheidungsträgern gehört. Verhandlungen werden im Regelfall auf Französisch geführt, auch wenn Englisch an Bedeutung gewinnt. Auf der Baustelle überwiegt wiederum das marokkanische Arabisch sowie verschiedene Berberdialekte.
Bauunternehmen bezeichnen die mit ihren Projekten verbundene Bürokratie, insbesondere auf der mittleren und lokalen Ebene, als teilweise schwerfällig. Auch herrscht ein von Deutschland abweichendes Zeitgefühl in fast allen Projektphasen vor. Allerdings kann es bei der eigentlichen Bauausführung durchaus auch einmal schneller als in Deutschland zugehen.
Zulieferprodukte - Marktlage
Die Geschäftsaussichten der Baustoffindustrie steigen 2024 im Zuge der guten Konjunktur. Verlässliche Werte liegen aber nur für Stahl und Zement vor.
Die steuerlich registrierte Baustoffindustrie umfasst 750 Betriebe mit 200.000 Mitarbeitern. Mit einem Jahresumsatz von 4,1 Milliarden Euro erwirtschaftete die Branche 2023 einen Gewinn vor Steuern von 1,3 Milliarden Euro. Zwar ist die Baustoffindustrie nach Produkten gut strukturiert. Doch liegen lediglich für Zement und Stahl amtliche Statistiken vor. Das hängt damit zusammen, dass viele Herstellerbetriebe für andere Baustoffe zum Teil oder vollständig im informellen Sektor tätig sind. Bei Stahl und Zement ist die Zahl der Akteure dagegen überschaubar, zumal die Firmen groß und die Produktion kapitalintensiv ausfällt. Anders sieht es teilweise bei Marmor, Kies, Sand, Schotter, Ziegelsteinen, Sandsteinen, Granit, Schiefer und Bauholz aus. Bei diesen Baustoffen befinden sich die informellen Kleinbetriebe in der Überzahl. Sie beliefern auch vorrangig informelle Märkte, sprich die tausenden kleinen Baustellen im Land.
Branchenverband sieht positives Geschäftsjahr 2024
Der Herstellerverband für Baumaterial, Fédération des Industries des Matériaux de Construction (FMC), geht 2024 für die Hersteller von Baustoffen und Baumaterial von einem positiven Geschäftsjahr aus. Wie es dazu hieß, sei die Schwächephase der zurückliegenden drei Jahre überwunden. Der Verband begründete seine Prognose mit der guten Auftragslage im Hochbau sowie im öffentlich finanzierten Infrastrukturbau. Wachstumsimpulse für die Baustoffindustrie erzeugt ebenfalls die Beseitigung der Erdbebenschäden im Gebiet Al Haouz.
Den wertmäßig mit Abstand wichtigsten Baustoff stellt Zement dar. Dieser hält 50 Prozent der Anteile am gesamten Baustoffausstoß. Davon entfällt wiederum mehr als die Hälfte auf den Hersteller LafargeHolcim, der über ein Netz aus sieben Zementwerken verfügt. Den Rest teilen sich Ciment du Maroc (Heidelberg Cement), Ciment de l’Atlas, Novarcim sowie Asment Temara (Cimpor Gruppe).
Die Hersteller sprechen von einer guten Konjunktur für Zement und Zementprodukte. Die Statistik gibt dieser Aussage bislang auch recht: So reicht der positive Schwung aus dem 2. Halbjahr 2023 weit in das 1. Quartal 2024 hinein - im Januar 2024 lag die Steigerung in der Zementproduktion im Vorjahresvergleich bei 5,4 und im Februar sogar bei 8,6 Prozent.
Zement dominiert die Baustoffbranche
Dabei gab es 2023 durchaus widersprüchliche Entwicklungen zu verzeichnen: Zwar stieg der Zementabsatz in der 2. Jahreshälfte 2023 um 5,4 Prozent an, wobei sich Zement speziell für Tiefbauvorhaben mit einem Plus von 64,7 Prozent als eindeutiger Spitzenreiter erwies. Fertigbeton brachte es auf Liefersteigerungen von 17,4 und Fertigteile aus Zement auf 5,1 Prozent. Doch stagnierte der Absatz im Zementeinzelhandel mit einem nur kleinen Plus von 0,1 Prozent. Die Lieferungen an Firmen des Hochbaus brachen 2023 sogar um 23,7 Prozent ein. Fachleute erklären diesen Rückgang damit, dass sich Hochbaufirmen in der 1. Jahreshälfte 2023 ausreichend mit Vorräten eingedeckt hätten, weshalb sie im 2. Halbjahr weniger orderten.
Angebot an Baustahl und Gipsplatten wächst
Ein wichtiges Exportprodukt stellt Baustahl dar. Die Kunden sitzen in der EU, in den USA und in Ländern Afrikas. Hergestellt wurden im Jahr 2023 insgesamt 1,4 Millionen Tonnen Stahl, nach 1,2 Millionen Tonnen im Jahr zuvor. Für 2024 wird mit 1,7 Millionen Tonnen gerechnet. Die Voraussage stützt sich auf den Verlauf der Inlands- und Auslandsbestellungen.
Augenfällig sind 2024 die Kapazitätserweiterungen zur Produktion von Gipsplatten. So eröffnete der Hersteller Damane Gypsum Ende Februar 2024 ein nagelneues Werk im Wert von 35 Millionen Euro am Standort Sidi Tiji. Ausgelegt ist das Werk für 20 Millionen Quadratmeter Gipsplatten, 660.000 Tonnen Gips sowie 180.000 Tonnen Mörtel pro Jahr. Teile der Produktion werden in Richtung Afrika exportiert.
Am selben Standort investiert nun auch die Compagnie Marocaine de platre et d’Enduit (CMPE) in Kooperation mit der Knauf Engineering GmbH ebenfalls in ein Werk für Gipsplatten. Bei der Technologieauswahl wurde besonderer Wert auf energieeffiziente Verfahren gelegt. Auch dieser Betrieb wird unter anderem Länder Subsahara-Afrikas beliefern.
Baumaterial vorrangig vor Ort gefertigt
Für Fenster existiert eine Vielzahl an Herstellern und Vertriebsniederlassungen ausländischer Markenproduzenten. Aus Deutschland ist unter anderem der Hersteller Kömmerling aktiv, dessen marokkanischer Partner, PVC Maroc, PVC-Profilfenster und -Türen nach Kundenmaß anfertigt und installiert. Die Profile werden aus Deutschland geliefert.
Fenster, Jalousien, Glastüren, Garagentore und Treppengeländer aus Aluminium liefern unter anderem die Unternehmen Noximaroc sowie Sepalumic. Das Unternehmen ECO Fenetre vertreibt und installiert Fenster und Türen mit Doppelverglasung sowohl mit Profilen aus PVC als auch aus Aluminium. Alu Maroc stellt Fenster und Türen aus Aluminium-, PVC- und Holzprofilen her, kooperiert darüber hinaus aber auch mit ausländischen Produzenten (zum Beispiel Schüco), um über ein breites Sortiment zu verfügen.
Fenster und Türen aus Holz und Aluminium liefert ebenfalls die Firma Somacal aus, wobei enge Partnerschaften mit den bereits genannten Unternehmen Alu Maroc und Sapalumic bestehen. Ein weiterer Hersteller von Produkten aus Aluminium und Holz ist Zaouia. Beim Unternehmen BIBANCOM handelt es sich um einen Hersteller von Möbeln und Türen aus Holz. Ebenso Möbel und Türen aus Holz gehobener Qualität fertigt das Unternehmen Hismar Menuiserie. Die übergroße Mehrheit der Hersteller hat ihren Firmenhauptsitz in Casablanca.
Neben den großen und mittleren Herstellern existiert eine unbekannte Zahl an einfach ausgestatteten Werkstätten mit einem hohen Anteil an Handarbeit, in denen Türen und Fenster gefertigt werden und die ihren Absatz auf den informellen Markt ausgerichtet haben. Da die Zahl der informellen Produzenten unbekannt ist, liegen auch keine amtlichen Statistiken zu den Produktions- und Absatzzahlen der Baumaterialbranche vor.